Wenn Kontrolle zum Schutz wird und Loslassen zur Rückkehr zu dir
- Martina Reist
- 15. Juni
- 4 Min. Lesezeit
Vielleicht kennst du das:

Du hast alles im Blick. Den Haushalt. Die Kinder. Den Job. Die Termine. Die Bedürfnisse anderer. Du bist da, wenn man dich braucht – egal, wie du dich fühlst. Du funktionierst. Tag für Tag. Woche für Woche.
Und doch… fühlst du dich manchmal innerlich wie leer.
Es ist nicht so, dass du undankbar wärst. Du weißt, wie viel du hast. Aber du fragst dich: „Warum bin ich dann so müde? So angespannt? So weit weg von mir?“
Vielleicht liegt die Antwort darin, dass du ständig halten musst – um nicht loszulassen. Weil du gelernt hast, dass Kontrolle dich schützt. Vor Chaos. Vor Enttäuschung. Vor dem Gefühl, nicht genug zu sein.
Warum Kontrolle oft (unbewusster) Selbstschutz ist
Kontrolle ist nicht nur ein Verhalten. Sie ist eine Strategie. Eine Reaktion auf Erfahrungen, die vielleicht lange zurückliegen.
Vielleicht hast du früh gelernt:
„Wenn ich alles im Griff habe, passiert nichts Schlimmes.“
„Wenn ich stark bin, werde ich nicht verlassen.“
„Wenn ich mich nicht öffne, kann mich auch niemand verletzen.“
Kontrolle war deine Art, dich sicher zu fühlen.
Und das ist völlig verständlich. Denn wer nie aufgefangen wurde, lernt, selbst das Netz zu sein.
Aber: Was dich einmal geschützt hat, kann dich heute davon abhalten, dich selbst zu spüren. Kontrolle bewahrt dich – ja. Aber sie verhindert oft auch Nähe, Weichheit und echte Verbindung. Vor allem mit dir selbst.

Was Kontrolle dich (unmerklich) kostet
Viele Frauen, die viel Verantwortung tragen, erzählen mir Ähnliches:
Sie sind erschöpft – aber können sich keine Pause erlauben.
Sie spüren sich selbst kaum noch – aber funktionieren weiter.
Sie sehnen sich nach Nähe – aber halten innerlich Abstand.
Sie möchten sich öffnen – aber haben Angst, dann als „zu viel“ zu gelten.
Kontrolle vermittelt die Illusion von Sicherheit.
Aber sie kommt oft mit einem hohen Preis:
innere Anspannung,
emotionale Erschöpfung,
chronisches „Alleinsein mit allem“.
Was passiert, wenn du loslässt?
Viele haben Angst, dass beim Loslassen „alles zusammenbricht“. Dass sie die Kontrolle verlieren – über den Alltag, über sich selbst, über ihr Leben. Aber weißt du, was wirklich geschieht, wenn du langsam, behutsam loslässt?
Nicht die Welt fällt auseinander, sondern die Fassade. Und darunter wartet oft etwas ganz anderes:
🌿 Echtheit.
🌿 Berührbarkeit.
🌿 Lebendigkeit.
Denn du verlierst nicht dich selbst, wenn du loslässt –du kommst dir näher.
Der Weg zurück beginnt in kleinen Schritten
Loslassen ist kein Befehl. Es ist kein „Jetzt sei doch mal entspannter!“ Und es ist ganz bestimmt kein „Du musst nur positiv denken.“
Es ist ein Weg. Langsam. Zart und individuell.
Hier ein paar Impulse, wie du dich diesem Weg annähern kannst:
Erkenne, wo du festhältst
Vielleicht hältst du nicht alles – aber sicher einiges. Eine Erwartung. Einen Plan. Eine Rolle. Ein Bild von dir.
Frage dich sanft: Wo in meinem Leben spüre ich den größten inneren Druck, Kontrolle auszuüben?
Ist es dein Job? Die Beziehung? Deine Gedanken über dich selbst?
Verstehe, was du damit schützt
Kontrolle ist nicht dein Feind. Sie ist deine Wächterin. Sie sorgt dafür, dass du nicht wieder verletzt wirst – emotional, energetisch, vielleicht sogar körperlich.
Frage dich: Was würde passieren, wenn ich hier ein kleines Stück loslasse?
Und dann: Was befürchte ich wirklich?
Finde Räume, wo du nichts leisten musst
Loslassen braucht Sicherheit und Sicherheit entsteht da, wo du nichts erklären, nichts beweisen, nichts sein musst.Nur sein darfst.
Ob in einer begleiteten Sitzung, einem stillen Spaziergang oder in einem geschützten Gespräch: Du darfst Orte suchen – oder schaffen – an denen du dich nicht zusammenreißen musst.
Übe dich im „weichen Blick“ auf dich selbst
Viele starke Frauen sind sehr reflektiert – aber oft auch sehr hart zu sich. Sie analysieren, warum sie so fühlen, denken, handeln …Aber oft fehlt die Milde. Die Weichheit. Die Erlaubnis, unperfekt zu sein.
Frage dich: Wie würde ich mit einer Freundin sprechen, die sich so fühlt wie ich?
Und dann: Kann ich lernen, auch so mit mir selbst zu sein?

Und wenn du merkst: „Ich schaffe es nicht allein“ …
Dann ist das kein Zeichen von Schwäche, sondern von Stärke. Denn wahre Stärke zeigt sich nicht im Durchhalten. Sondern im Zulassen .Im Fühlen. Im Sich-Zeigen.
Du musst deinen Panzer nicht auf einen Schlag ablegen. Aber vielleicht einen Riss zulassen. Einen Spalt, durch den wieder etwas Licht fällt. Oder Wärme. Oder das Gefühl: „Ich bin nicht allein mit dem, was ich trage.“
Du darfst. In deinem Tempo. In deiner Tiefe.
Loslassen heißt nicht, alles fallen zu lassen. Es heißt: nicht mehr alles allein halten zu müssen. Es heißt: dich erinnern, dass du nicht nur die Funktion bist, sondern ein fühlender Mensch.
Du darfst Kontrolle als Teil deiner Geschichte ehren –und dich trotzdem auf den Weg machen, neue Formen von Sicherheit zu entdecken:
🌿 In dir.
🌿 In deinem Körper.
🌿 In echter Verbindung – zu dir und anderen.
Wenn du dabei Begleitung brauchst: Ich bin da. Nicht, um dich zu reparieren. Sondern um dich zu halten, während du dich wieder spürst.
Du musst nicht mehr stark sein, um geliebt zu werden.
Du bist liebenswert – genau jetzt, mit all deiner Müdigkeit, deinen Zweifeln und deinem Wunsch, endlich loslassen zu dürfen.
Loslassen ist kein Sprint, sondern ein sanfter Schritt nach dem anderen. Du darfst dich langsam lösen – vom Druck, vom Perfektionismus, von der Angst, nicht zu genügen.
Du bist nicht allein auf diesem Weg. Und in genau diesem Loslassen liegt deine wahre Kraft und Freiheit.

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